Reisebericht von Guenter Hupfer
Ja, ich bin zurück. Jetzt, mehr als eine Woche nach meiner Landung in München und einem stürmischen Bergwochenende im Dachsteingebiet. Aber bin ich schon angekommen? Die Bilder – intensiver, bedrückender, farbenfroher, lebensfroher als die Erinnerungen an meine bisherigen Reisen.
Die Ruinen von Chisapani, die fröhlichen Frauen und die Kinder in der von WWW provisorisch sanierten Schule in Sikre, die Bauersfamilie, mit der wir gemeinsam Pampelmusen gepflückt und gegessen haben, unser Basislager oberhalb von Allche mit unvergesslichem Blick auf die Lhangtang-Kette, den Manaslu und weiter im Westen auf die Annapurna, der Geburtstagskuchen für Ganesh von Tandha auf fast 2000 Metern Seehöhe gebacken, die Späße von Hari, der Mooswald auf den Shivapuri-Peak, die mit Balken gestützten Reste der Tempelanlagen von Bhaktapur, die Gläubigen beim Umrunden der Buddha-Stupa in Bodnath, der Weg nach Sundarijhal, Happy Bottle House, unsere Kinder.
Good Morning. Early Morning Tea! 6 Uhr 30. Ganesh und ich schälen uns aus den Schlafsäcken. Es ist noch etwas frisch um diese Tageszeit – 2 Grad heute. Da tut der Tee gut. Katzenwäsche. Auf dem Weg zurück Madam und Sushila am Haustempel. Wir halten inne, dürfen am Morgengebet teilhaben, bekommen das Tika auf die Stirn gemalt.
Die Kinder sind schon seit über einer Stunde auf. Die Großen schließen gerade ihr Taekwondo-Training ab. Barfuß bei dieser Kälte. Die Kleineren lernen schon in ihren Zimmern. Hoffentlich ist das Mädchenhaus bald fertig, dann ist es in den Zimmern nicht mehr so eng. Das Erdbeben vor einem Jahr hat großen Schaden angerichtet – aber es leben alle und es haben alle ein Dach überm Kopf. Es geht, auch wenn bis zu 14 Kinder in einem Raum leben. Umso mehr Ansporn für uns, unsere Bauetappe möglichst schnell fertigzustellen.
Tandha hat bereits unser Frühstück zubereitet: heißer Tee, Löskaffee, Milch, Omelette, Toastbrot, Müsli, Marmelade, Honig. Herz was willst du mehr?
Die Kinder bereiten sich schon auf die Schule vor, noch schnell die Schuhe putzen, Zöpfe flechten – da helf ich besser den Buben beim Krawattebinden. Das morgendliche Dal Bhat, die Zähne putzen und dann ab in die Schule.
Wir teilen uns in kleinere Gruppen auf. Shiva und Parvati, Ganesh, Sita, Laxmi, Saraswati, Rada, Gonga und ich, Bishnu. Unsere Nepali-Namen, die wir über Vermittlung von Madam und Keshav vom Brahmanen erhalten haben.
Die alte Mauer niederreißen, Lehmziegel zerschlagen, das Ergebnis reitern, Stroh schneiden, Flaschen tragen, Matsch stampfen, Matsch tragen, aus Flaschen Mauern bauen. Nicht umsonst heißt unser Haus Bottle House – Happy Bottle House. Die Flaschen sind da, sind billiger als Ziegel und eigentlich ein genialer Baustoff. Sogar sicherer als Ziegel, wie das Erdbeben am 25. April 2015 gezeigt hat.
Um die Küchenarbeit reißt sich keiner so wirklich. Bishnu, kannst du mir schnell helfen. Sicher. Und schon sitze ich gemeinsam mit Sita, Nilhu, Sushila und Sabina im Kreis, schäle und zerteile die nächsten 2 Stunden lang Kartoffeln.
Auf der Baustelle geht was weiter, wir gewinnen an Sicherheit, Vishal, unser Vorarbeiter ist zufrieden, die Gruppe wächst zusammen. 9 Menschen aus Deutschland und Österreich treffen sich in Nepal, um zu „helfen und zu wandern“. Vor wenigen Tagen noch hat keiner den anderen gekannt – jetzt sind wir stolz auf unsere starke Gruppe.
Die Zeit fliegt. Freitagnachmittag nutzen wir für eine umfangreichere Körperpflege und zum Wäschewaschen. Am Samstag, unserem freien Tag, erkunden wir gemeinsam mit Keshav die Umgebung, besuchen das nahegelegene buddistische Kloster und sind zu Mittag in der Schule unserer Kinder zu einem kleinen Imbiss eingeladen. Gerne hätten wir an den Feierlichkeiten für die Erstklassler teilgenommen. Nach dem Lunch und einer kurzen Mittagsrast zum Fußballturnier und zum Spielen auf das Gelände der neuen Schule. Die soll dort in den nächsten 2 Jahren entstehen. Beim abendlichen Dhalbhat merken wir, wie müde wir sind.
In der zweiten Woche läuft alles wie geschmiert, die Gruppe hat sich zu einem eingespielten Team gemausert, wir kommen unserem Ziel immer näher, wir werden unsere Bauetappe früher als geplant fertigstellen. Auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, den zweiten vor dem ersten Schritt gemacht zu haben. Die Zeit mit den Kindern – Picacchu, Five-Little-Moutains, Basteln, Hausübungen machen, Fangenspielen, Zeichnen – ist intensiv und schön zugleich. Sie macht zufrieden. Sie macht nachdenklich. Sie macht bescheiden. Menschen können mit so wenig zufrieden sein. Braucht es unsere Gier nach mehr? Braucht es unsere Arroganz, unseren Egoismus?
Wir nehmen uns Zeit für die Gruppe, diskutieren über Gott und die Welt, überlegen, wie das mit einer Patenschaft für Kinder ausschauen könnte. Sudama wird uns da nähere Informationen geben. Je näher unser Trekkingstart kommt, desto mehr Zeit wollen wir mit den Kindern verbringen.
Und dann ist er da. Dieser letzte Tag. Eine wunderschöne Zeremonie zur Grundsteinlegung des neuen Teils des Kinderheimes – Piriankha darf den Brahmanen dabei unterstützen.
Am Nachmittag das Abschlussfest. Resam phiriri, Saya? Th?g? Ph?lk?, Gruppentänze der Mädchen, Taekwondo-Vorführung der Buben, lustige Lieder, Spiele, moderiert von unseren Kindern. Auch wir bringen uns bescheiden ein. Und dann …
Thank you for your warm welcome. So many thanks for sharing your live with us here at Happy Bottle House. When we go back to Europe, our thoughts and our feelings will be with you!
Come again, Piriankha, Sunsita, Moxh Lhama, Manoj, ja sogar der coole Prem umarmen mich, Come again Bishnu!
Yes, I will!
Ma sabai lai maya garcchu!
Helfen und Wandern in Nepal – Anton Steininger
Ein Reisebericht von Anton Steininger
Schon Tage vor der Abreise beschäftigte mich der Gedanke, was wohl auf mich zukommen würde. Ein Land zu besuchen, das ich bisher noch nicht kennen gelernt hatte, war aufregend. Ich fragte mich welche Arbeiten auf uns warten werden und wie uns die Kinder des Bottlehouse aufnehmen würden. Nach zwei Tagen Akklimatisierung und Besuch der Königsstadt Bhaktapur fuhren wir schließlich unserem Ziel entgegen. Was wir dort in den ersten Minuten erlebten, war überwältigend. Lachende Kinder, welche uns sofort in Beschlag nahmen und nach unseren Namen fragten.
Es waren wunderbare Minuten im Kreise der schnatternden Kinder, besonders für einen Großvater wie mich, der seine drei Enkelkinder in Österreich daheim wusste. Die Kinder waren in den notdürftig mit Holzplatten bewohnbar gemachten Häusern auf engstem Raum untergebracht. Nur bei einem Haus standen noch die stark beschädigten Wände.
Ausgerüstet mit Staubmasken, Stemmeisen und viel Eifer machten wir uns gleich am nächsten Tag an die Arbeit. Wände mussten vorsichtig abgerissen werden um die Flaschen zu retten, da sie für den Wiederaufbau benötigt wurden.
Es war faszinierend festzustellen, dass sich niemand für eine Arbeit zu schade war. Und natürlich war der Ansporn groß, die geplanten Zeiten deutlich zu unterschreiten. Nach dem Einbau von Holzpfosten, um die Wände stabiler zu machen, ging es ans Strohschneiden und „Matsch“ treten. Nun endlich konnten wir mit dem Wiederaufbau beginnen. Wir errichteten Flaschenreihe um Flaschenreihe, verbunden mit Lehm und Stroh. So konnten wir im ersten Haus alle Wände wieder aufbauen, sehr zur Begeisterung der Kinder. Für mich persönlich war der Höhepunkt eines jeden Tages, gemeinsam mit den Kindern Abend zu essen und Spaß zu haben. Leider vergingen die Tage viel zu schnell. Am letzten Abend, veranstalteten die Kinder für uns ein kleines Fest mit Tanzvorstellungen und Singen. Der Abschied am nächsten Morgen war für mich ein sehr berührendes Ereignis und ich merkte, wie lieb ich die Bewohner des Bottlehouse gewonnen hatte. Bevor ich noch heimatlichen Boden betreten hatte, war für mich fix, sobald wie nur möglich zurück zu kehren.
Zusammenfassend möchte ich meine Erfahrung folgendermaßen beschreiben: Es war, als hätte ich mit einer Kanne Tee ausgeschenkt… Aber die Kanne wurde nicht leer sondern mit jeder Tasse voller!
Helfen und Wandern in Nepal – Bernd Strauss
Ein Reisebericht von Bernd Strauss
Dank der Idee „Weltweitwandern Wirkt!“ konnten wir im Oktober 2015 zehn Tage beim Wiederaufbau des „Bottle House“ mitarbeiten. Wir waren acht Frauen und vier Männer im Alter zwischen 24 und 65 Jahren aus Österreich, Deutschland und der Schweiz mit vollkommen unterschiedlicher beruflicher Herkunft und haben uns zuvor noch nie gesehen. Es war schön, zu erleben, wie rasch die Begeisterung für das gemeinsame Ziel aus uns zwölf Individualisten ein wunderbar funktionierendes Team machte. Eines der vom Erdbeben zerstörten Häuser musste abgetragen werden. Die in Lehm gemauerten Flaschen der vom Beben zerstörten Wände mussten aus dem harten Lehm herausgearbeitet werden, damit sie zum Wiederaufbau neuerlich verwendet werden können. Der harte Lehm wurde in mühsamer, staubiger Arbeit klein geklopft, um danach mit Wasser vermischt, wieder gemeinsam mit den Flaschen vermauert zu werden. Schwere Holzbalken mussten geschultert von zwei Trägern den Fußweg über unwegsames Gelände zur Baustelle geschleppt werden. Dabei beschämten uns Sushila und Sabina, zwei zarte nepalesische Helferinnen, als sie etwa 50 Kilogramm schwere, lange Holzbalken nur mit einem Trageriemen um die Stirn, alleine den steilen etwa einen Kilometer langen Weg heranschafften. Aus diesen Hölzern zimmerten drei von uns gemeinsam mit einem nepalesischen Zimmermann eine Riegelkonstruktion, deren Ausnehmungen wieder mit Lehm und Flaschen ausgemauert wurden.
Unser engagiertes Zusammenspiel ließ so nach nur zehn Tagen Arbeit ein neues Recycling-Bottle House entstehen. Eine besonders schöne Triebkraft für unsere Arbeit waren die aus der Schule heimkehrenden Kinder. Ihr erster Weg führte sie dabei jeden Tag zur Inspektion ihres Bottle House. Ihre Freude und ihr „Thank you for building our Bottle House“ spornten uns alle an.
Die Offenheit, Neugierde, Lebensfreude und Energie der 45 Kinder, jedes mit einer eigenen noch kurzen, aber immer dramatischen Geschichte, rief in uns Wehmut beim Gedanken an junge Heranwachsende in der Wohlstandswelt daheim hervor. Da ist Prem, der erzählt seine Eltern beim Erdbeben am 25. April verloren zu haben. „Ich habe hier im Bottle House eine neue Familie gefunden“ sagt er dann. Sein zuvor trauriger Blick weicht einem hoffnungsvollen Strahlen in den Augen. Namgel ist auf seine Stimme besonders stolz. Er will einmal Sänger werden. Sein Freund, dessen Gitarre beim Erdbeben von einem fallenden Balken zerdrückt wurde, fragt ungläubig: „Wirklich? Du schickst mir DEINE Gitarre, mit der DU spielen gelernt hast?“ Ja, sie ist gerade nach Nepal unterwegs. Und da ist Sasida, die uns beim kleinen Hinduheiligtum tauft. Sie streicht uns Tika, den roten Segenspunkt auf die Stirn. Alle Kinder und Erwachsenen werden uns in der folgenden Zeit Krishna und Radda nennen…In nicht nur traditionellen Tänzen begeisterte uns die Freude der Kinder. Jeden Samstag tanzen sie mit einem Tanzlehrer. Im take-won-do zeigen die jungen Menschen Energie pur in besonderer Form.
Den Vormittag verbringen die Kinder in der etwa 20 Minuten entfernten öffentlichen Schule. Die gemeinsame Lernstunde am Nachmittag ist für uns ungewohnt geräuschvoll: Jedes Kind lernt laut. Älter Kinder helfen Jüngeren. An einer Tafel gibt ein fortgeschrittener Schüler Nachhilfe. Gleichzeitig erarbeitet Mary mit einer Schülergruppe einen englischen Text. Sie ist Heimleiterin und Mutter für alle. Der Lerneifer beeindruckt uns sehr – die besondere Akustik auch. In der Schule zählen die Bottle House-Kinder zu den Besten!
Zurück zu unseren täglichen Arbeit: Eine weitere wertvolle Erfahrung war für mich der Mangel an von zu Hause gewohnten Spezialwerkzeugen. Unsere Hämmer erinnerten in ihrer Qualität an Präsente vom Weltspartag. Bald krumm geschlagene Hammerstiele mussten mit Improvisationsgeist und Baustahl „repariert“ werden. Handwerkliche Kreativität war gefordert. Pfosten mit einem Querschnitt von 23 X 10 cm mussten mit einem Fuchsschwanz für die Riegelkonstruktion genau (!) abgeschnitten werden. Alte krumme Nägel wurden gerade geklopft. Im phantasievollen Umgang mit Mangel, der dennoch exakte Arbeit ermöglichte, sah ich eine besonders schöne und erfüllende Herausforderung.
Die vielfältigen Eindrücke des vier Tage dauernden Trekkings im Shivapuri Nationalpark sollen nur mit den folgenden Bildern angedeutet werden. Die Begegnungen und die Gespräche mit den Frauen des vom Erdbeben völlig zerstörten Dorfes Sikre waren für uns ein besonderes Erlebnis. Dass auch in so schwierigen Lebensphasen Fröhlichkeit möglich ist, machte uns nachdenklich. Zugleich war diese Fröhlichkeit ansteckend.
Einem Land und seinen Menschen in gemeinsamer Arbeit zu begegnen, brachte uns wunderbare Erfahrungen, deren Nachhall unser Lebensgefühl sicher noch lange Zeit mitbestimmen wird.
Bernd Strauss