Marokko / campus vivant’e: Leben im Stillen

Asmae verbrachte ihre ersten sieben Lebensjahre als Außenseiterin. Kommunikation war für das Mädchen kaum möglich, denn sie ist taub. Heute ist sie eine junge Frau und Gebärdensprachlehrerin am campus vivant’e in Marokko.

Schwerer Start
Asmae ist seit dem Babyalter gehörlos. Ihre Kindheit verbrachte sie einsam und oft unverstanden in der eigenen Familie und im Kindergarten. Erst mit sieben Jahren hatte ihr Leidensweg ein Ende: Das Mädchen konnte die Gehörlosenschule in Meknes besuchen. Zum ersten Mal in ihrem Leben erfuhr sie Integration in einem Umfeld aus Gleichgesinnten. Nach der Grundschule absolvierte Asmae eine technische Ausbildung an der Gehörlosenschule, jedoch konnte sie im Berufsleben (noch) nicht Fuß fassen.

Zueinander gefunden
Das Schicksal führte die damals 21-Jährige schließlich an den campus vivant’e. Das Bildungszentrum befindet sich im marokkanischen Atlas-Gebirge im Hochtal des Ait Bougoumez. Nach einem anfänglichen Kulturschock über die einsame Region und die einfachen Lebensverhältnisse im Tal lebte sich die gehörlose Frau gut ein.

Unverzichtbar
Asmae ist mittlerweile nicht mehr wegzudenken vom campus vivant’e: Sie agiert als Hilfslehrerin im integrativen Unterricht, wo hörbehinderte SchülerInnen gemeinsam mit hörenden SchülerInnen unterrichtet werden. Ihr Ziel ist dabei immer – neben der allgemeinen Gebärdensprachkompetenz aller – die Akzeptanz und Integration der Hörbehinderten zu fördern. Durch ihr Auftreten im gesellschaftlichen Leben im Tal sensibilisiert Asmae auch die Bevölkerung für das Thema Gehörlosigkeit. Sie ist ein wichtiger Teil des Teams und ein tolles Beispiel für ganzheitliche Entwicklung mit allen Stärken und Schwächen.

Vorbild
Durch ihre starke und selbstbewusste Persönlichkeit ist die junge Lehrerin ein Vorbild für die hörbehinderten SchülerInnen – echt, nahbar und greifbar. Ihr bisheriger Weg ist ein wunderbares Beispiel für eigenverantwortliches Empowerment und das Ergreifen von Chancen, die der campus vivant’e ermöglicht.
„Am Campus schätze ich den Mut und die neuen Möglichkeiten. Ich finde es toll, dass wir auch mit Leuten aus Europa neue Dinge lernen und ausprobieren und mutig versuchen, gemeinsam mit den hörenden SchülerInnen den normalen Schulbildungsweg zu gehen. Das klappt immer besser und in unserem gemischten Team haben wir in den letzten vier Jahren bereits ganz viel erreicht,“ sagt Asmae über ihre bisherige Arbeit und erzählt voller Stolz: „Die Gehörlosenpädagogik ist eine Bereicherung im Schulalltag und ein spannendes Lernfeld für Groß und Klein mit Signalwirkung nach außen.“

Zukunftspläne
Asmae lernt parallel mit ihren SchülerInnen und kann die Abschlüsse, die ihr offiziell noch fehlen, gemeinsam mit den anderen nachholen. Ihr Traum ist es, das Gymnasium zu besuchen und so als Vorreiterin der Gehörlosenpädagogik gemeinsam mit dem Campus neue Wege zu gehen.